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USA–Buchtipp: Die Indianer Nordamerikas – Eindrucksvoller Bildband von Edward S. Curtis

Ein Lesetipp von den Autoren des Bandes „USA-Texas/Mittlerer Westen“, „USA-Westen“  u. a. USA-Bände, Margit Brinke – Peter Kränzle, Juni 2016

Die eindrucks- und ausdrucksvollen Schwarzweißfotos nordamerikanischer Indianer und berühmter indianischer Persönlichkeiten 2-Geronimowie Chief Joseph oder Geronimo kennt jeder, doch das monumentale Gesamtwerk und die Person, die dahintersteckt, blieben bis dato weitgehend im Dunklen. Um das Jahr 1900 hatte der amerikanische Fotograf Edward Sheriff Curtis (1868–1952) begonnen, die Geschichte und Kultur von mehr als 80 Indianerstämmen zu dokumentieren. Er bereiste dazu die ganze Region, von der Grenze Mexiko im Südwesten bis hinauf zur Beringstraße in Alaska, von Kalifornien bis ins ehemalige sog. Indian Territory, den Bundesstaat Oklahoma.
In den Jahren von 1907 bis 1930 erschienen 20 Bände mit ausführlichen Texten und Bildern unter dem Titel „The North American Indian“ – 4-PierpontMorganLibraryeine monumentale Studie über diese dem Untergang geweihte Welt. Die Auflage, die auf qualitativ und handwerklich höchstem Niveau erstellt wurde, war kostspielig und fiel deshalb mit weniger als 300 gedruckten Exemplaren auch sehr klein aus. Ohne die finanzielle Unterstützung von J.P. Morgan, dem damals reichsten Mann der Welt, wäre dieses Unterfangen gar nicht möglich gewesen: $ 75.000 stellte Morgan zur Verfügung und Curtis versprach dafür ursprünglich 500 Exemplare des mehrbändigen Werkes zu drucken und für $ 300 pro Ausgabe zu verkaufen. Am Ende hatten Morgan und sein Sohn rund $ 400.000 investiert, 3-ChiefJoseph-FavellMusdoch es erwies sich als schwierig, das Monumentalwerk an den Mann zu bringen. Den meisten Büchereien, Museen und Privatleuten war es zu teuer, erst recht zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise. Da half auch die Fürsprache von Curtis’ einflussreichem Freund, US-Präsident „Teddy“ Roosevelt, wenig.

Meilenstein der Dokumentation

Dabei hatte der in Seattle beheimatete und dort als Fotograf berühmt gewordene Curtis ein Werk geschaffen, das heute in Wissenschaftskreisen als 5-IndianPowwowMeilenstein in der Dokumentation der ursprünglichen Lebens- und Denkweise der nordamerikanischen Indianer gilt. Am Ende hatte Curtis über 40.000 Fotos von mehr als 80 indianischen Völkern angefertigt, erste Dokumentarfilme über Indianer gedreht und auf über 10.000 Wachsrollen Lieder und Geschichten der Völker in deren Sprache aufgenommen. Besonders für die indianischen Völker sind diese Dokumente von unschätzbarem Wert und dienen auch als Hilfsmittel um die eigene Geschichte, Kultur und Sprache wiederzubeleben. Für viele Indianer ist der „Shadow-Catcher“, wie ihre Vorfahren den Fotografen Curtis nannten, deshalb bis heute „einer von ihnen“.
Curtis ist immer wieder vorgeworfen worden, Szenen gestellt und seine Vorstellungen von den „wilden“ Indianern umgesetzt zu haben. 6-IndiansBuffaloHuntWer sich jedoch genauer mit seinem Leben, seiner akribischen Arbeitsweise und seinen talentierten Mitarbeitern beschäftigt, erhält ein ganz anderes Bild: So lebte der „Shadow Catcher“ jahrelang unter verschiedenen Indianerstämmen, gewann deren Vertrauen und machte indianische Freunde. Darüber hinaus notierten er und sein Team die Sagen und Mythen und erstellten eigene Sprachlexika verschiedener Stämme.
Curtis Fotos sind nicht nur eine Dokumentation, 7-IndianTipisvielmehr „malte“ er mit der Kamera die Menschen, ihre Tipis und Geräte, ihre Tänze und Riten. Curtis verstand sich nicht nur als Künstler, sondern auch als Chronist traditionellen, indianischen Lebens, das, wie er ahnte, dabei war, unwiderruflich zu verschwinden. Wie besessen arbeitete Curtis an der Verwirklichung seines Lebenswerks, worüber seine Ehe in die Brüche ging. Ergebnis war die Enzyklopädie „The North American Indian“ (Die Indianer Nordamerikas) als monumentales Œuvre mit 20 Textbänden und ebenso vielen Portfolios mit insgesamt über 2.000 Aufnahmen.

Neu aufgelegt im Taschen-Verlag

Dem Taschen-Verlag ist es zu verdanken, dass Curtis’ Werk – ebenso wertvoll als historisches und wissenschaftliches Dokument als fotografisch ein Glanzstück – zu einem Band zusammengefasst erstmals einem breiten Publikum zugänglich ist. Es handelt sich dabei um einen Nachdruck der 20 Portfoliobände in einem Band mit über 700 Fotos, in handlichem Format zu günstigem Preis. Das ursprüngliche Konzept, dass die Textbände wie auch die Portfolios einzelnen Völkern zugeordnet waren, 1-Curtis-Indianer-Taschenwurde übernommen. Vorangestellt ist dem neuen Band ein kurzer Einleitungstext von Hans Christian Adams, und der genügt auch, denn die Bilder sprechen für sich.
Nur eine Handvoll Museen und Kulturinstitutionen besitzt eine komplette Originalausgabe, dafür gibt es jedoch dank der Curtis Library der Northwestern University in Chicago die Möglichkeit, das gesamte Werk in digitalisierter Form im Internet anzusehen: http://curtis.library.northwestern.edu/index.html. Ansonsten dürften die raren Ausgaben nur für Wenige erschwinglich sein: Zuletzt wurden 2012 1,44 Millionen Dollar (!) für eine originale Gesamtausgabe bezahlt …

INFO
Edward S. Curtis, Die Indianer Nordamerikas. Die kompletten Portfolios, Taschen-Verlag 2016 (www.taschen.com), Hardcover, 768 Seiten, € 14,99, ISBN 978-3-8365-5053-6 (Deutsch), auch in Englisch, Französisch und Spanisch erhältlich.

© Text: M. Brinke-P. Kränzle, Fotos: M. Brinke und Taschen-Verlag (Buchcover).

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