Zugfahren ist für mich die pure Entspannung. Ich liebe es, die Zeit an Bord nach meinen eigenen Wünschen zu gestalten. Ich kann schlafen, lesen, aus dem Fenster schauen, im Bordbistro einen Kaffee trinken oder einfach nichts tun. An meiner Vorliebe fürs Bahnfahren hat sich auch seit der Geburt unseres Sohnes wenig geändert. Die Bewegungsfreiheit im Zug ermöglicht es uns, den Tag ganz nach dem normalen Rhythmus unseres Kleinen zu gestalten.
Für uns ist die Bahn also meist das Transportmittel der Wahl, sodass unsere Erfahrungen mittlerweile auf vielen, vielen Tausend Zugkilometern in verschiedenen europäischen und asiatischen Ländern beruhen. Am allermeisten sind wir aber natürlich im heimischen Schienennetz unterwegs.
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Im Nahverkehrszug
In deutschen Regionalbahnen und S-Bahnen gestaltet sich die Reise mit einem kleinen Kind ziemlich unproblematisch, da im Mehrzweckabteil meist genügend Platz für einen Kinderwagen ist. Zu bestimmten Zeiten kann es allerdings etwas kuschelig werden: Am Wochenende, wenn hier auch Fahrräder transportiert werden, und zu den Stoßzeiten morgens und nachmittags, wenn die Züge durch die vielen Pendler oft generell überfüllt sind. Manchmal können wir aber ebendiese Zeiten leider nicht vermeiden. Auf eine freundliche Bitte hin wurde uns aber bisher immer ein Sitzplatz überlassen.
Nach meinen Erfahrungen ist ein Zugboden nicht dreckiger ist als ein Spielplatz oder eine Wiese im Park. Dementsprechend entspannt waren wir auch immer, wenn unser Kleiner krabbelnd den Waggon eroberte. Ein kleiner Dreckspatz ist für alle Beteiligten zudem wesentlich nervenschonender als Eltern, die verzweifelt gegen den Bewegungsdrang eines Kleinkindes auf dem Schoß oder im Kinderwagen ankämpfen.
Dennoch waren die Bahnfahrten mit einem krabbelnden Kind in Nahverkehrszügen aus verschiedenen Gründen für mich bisher am herausforderndsten.
Nicht nur, weil ich oftmals die gesamte Zugfahrt das kleine Energiebündel vor sich öffnenden Türen, ein- und aussteigenden Menschenmassen und Treppen schützen und dabei das Gepäck unbeaufsichtigt lassen musste. Da unser Sohn außerdem extrem kontaktfreudig ist, galt es schon oft, blitzschnell zu reagieren, bevor die schmuddeligen Fingerchen auf den Taschen und Hosen der Mitreisenden landen. In diesen Momenten habe ich mich schon so manches Mal gefragt, warum eigentlich jedes Kind eine Fremdel-Phase durchmacht – nur unseres nicht. Beschwert hat sich aber glücklicherweise noch niemand. Im Gegenteil. Viele freuen sich über den kleinen Besucher, der stets jeden Fahrgast persönlich begrüßen möchte. Trotzdem sollte man als Mama oder Papa natürlich auch Verständnis haben, wenn jemand einfach in Ruhe seine Zugfahrt genießen möchte.
Generell muss man bei Mitreisenden auf Reaktionen aller Art gefasst sein, wenn man ein kleines Kind auf den Boden im Zug setzt. Obwohl diese meistens positiv und freundlich sind („Wie schön, dass es heute auch noch Eltern gibt, die so unkompliziert mit ihrem Kind sind …“; „Ihr Kleiner wird sicher ein gutes Immunsystem haben …“), stößt diese elterliche Entspanntheit bei manchen auf Unverständnis. Zum einen wegen des Hygiene-Aspektes, zum anderen, weil vor allem in Kurven und beim Anfahren und Bremsen des Zuges der ein oder andere kleine Sturz auf den Windel-Pöter nur schwer vermeidbar ist.
Das Kleinkindabteil in ICE und IC
In Fernverkehrszügen, die oftmals sogar mit Teppichboden ausgestattet sind, reist es sich natürlich generell komfortabler. In ICEs und den meisten IC- und EC-Zügen gibt es sogar Kleinkindabteile, die vorrangig für Familien mit Babys und Kindern bis drei Jahre vorgesehen sind. Hier gibt es Platz zum Krabbeln und Spielen und sogar Abstellmöglichkeiten für den Kinderwagen (entweder im Abteil oder ganz in der Nähe).
Ich finde diese Abteile klasse. Man ist unter sich und muss keine Sorgen haben, dass sich andere Fahrgäste durch das Kind gestört fühlen könnten. Zudem sind mir die Krümel auf dem Boden, die der Kleine beim Verputzen von Keksen und Co. produziert, weniger unangenehm. Oft haben nämlich andere kleine Krümelmonster bereits ihre Spuren dort hinterlassen.
Für etwas größere Kinder sind die Familienbereiche in den ICEs eine schöne Alternative. Auf manchen Strecken wird sogar eine Kinderbetreuung angeboten. Hier empfehle ich eine Platzreservierung mit Tisch, an dem gegessen oder gespielt werden kann. Mit etwas Glück findet man unter den anderen kleinen Fahrgästen sogar einen Spielgefährten. Oder noch besser: Auf einer unserer letzten Fahrten haben es sich drei kleine Fahrgäste über mehrere Stunden zur Mission gemacht, unseren Sohn zu bespaßen und auf ihn aufzupassen. Perfekt!
Braucht man eine Platzreservierung?
Egal, ob nun im Kleinkindabteil oder im Großraumwagen, wer eine längere Fahrt mit viel Gepäck vor sich hat, dem lege ich eine Sitzplatzreservierung sehr ans Herz. Die Erfahrung hat mich zudem gelehrt, dass es absolut sinnvoll ist, auch für ein Baby einen eigenen Platz zu reservieren. Auf diesem kann es spielen, schlafen oder aus dem Fenster schauen. Ich nutzte ihn meistens dafür, den Rucksack dort abzulegen, damit ich nicht mit dem Kind auf dem Schoß und einem anderen Fahrgast auf dem Nachbarsitz im Rucksack kramen muss, der zwischen meinen Füßen steht.
Bei den Sitzplatzreservierungen gibt es eine recht günstige Pauschale für die ganze Familie. Wenn ich allein mit dem Kleinen unterwegs bin, riskiere ich es manchmal, ohne Reservierung mit Kinderwagen einzusteigen und auf einen freien Platz zu spekulieren. Das kann gut gehen, ich habe aber auch schon einige Male mit unserem Baby auf dem Flur gesessen. So ist das dann eben.
Wickeln im Zug
In ICEs und ICs gibt es in den Toiletten, die auch für Rollstuhlfahrer geeignet sind, ausklappbare Wickeltische. Sie befinden sich meist in der Nähe der Kleinkindabteile. Angeblich gibt es auch teilweise in den Abteilen selbst Wickeltische. So einen habe ich aber noch nie bewusst wahrgenommen oder benutzt.
In Regionalzügen stehen immerhin großzügige Toilettenräume zur Verfügung, in die man mit einem Kinderwagen hineinfahren und in denen man dann wickeln kann, falls es keinen Wickeltisch gibt.
Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, eine Windel auf einem freien Sitz zu wechseln. Diese Option nutze ich aber nur im Notfall und wenn sich kein anderer Gast dadurch gestört fühlen kann.
Essen und Trinken im Zug
Leider fehlt es vor allem in überfüllten Regionalzügen manchmal an Rückzugsmöglichkeiten zum Stillen. Die Bordtoiletten sind hier nicht unbedingt ein Ort, an den man es sich gemütlich machen möchte. Anders als im Flugzeug, wo man ja in der Regel nur Sitznachbarn hat, können einem im Zug andere Fahrgäste auch gegenüber sitzen. Wenn ich mich nicht wohlgefühlt habe, habe ich mich manchmal in die weniger besuchte erste Klasse gesetzt. Das ist zwar nur halb legal, aber gegen unseren kurzen Besuch gab es nie Einwände.
In den Kleinkindabteilen gibt es Steckdosen, um einen Flaschenwärmer zu verwenden. Normalerweise ist aber auch das Bordbistro nicht weit von diesen Abteilen entfernt. Hier hilft das Personal gern mit heißem Wasser oder einer Mikrowelle zum Aufwärmen aus.
Insgesamt kann ich sagen, dass das Personal in allen Zügen sehr freundlich auf unser Baby bzw. Kleinkind reagiert hat. Manchmal gibt es sogar ein kleines Geschenk für die kleinen Reisegäste und fast jeder Zugbegleiter hat Verständnis dafür, dass die Fahrkartenkontrolle in manchen Momenten äußerst ungünstig sein kann, und kommt einfach später noch einmal wieder.
Wie sieht es mit der Barrierefreiheit aus?
Obwohl wir in Deutschland diesbezüglich schon wesentlich weiter sind als in anderen Ländern, sind leider längst nicht alle Bahnhöfe und S-Bahn-Haltestellen barrierefrei. Und wenn sie es theoretisch doch sind, sind die Aufzüge oder Rolltreppen (auf denen ein Kinderwagen offiziell ja sowieso nichts zu suchen hat) manchmal defekt oder wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb. Normalerweise findet sich schnell eine helfende Hand. Ich musste allerdings auch schon einmal auf den nächsten Zug warten und eine Station weiter fahren als geplant, weil ich vollbepackt auf einem menschenleeren Gleis ohne Rolltreppe und mit defektem Fahrstuhl gestrandet war.
Auch kann man mit Kinderwagen in die wenigsten Züge ohne fremde Hilfe einsteigen. Der Höhenunterschied zwischen Zug und Bahnsteigkante sowie die Stufen in die Fernverkehrszüge können für Alleinreisende mit Kind ein echtes Hindernis sein.
Unsere Zugfahrt nach London
Auch wenn die reine Zugfahrt länger ist, als man mit dem Flugzeug in der Luft wäre, ist die Reisedauer vom Kölner Hauptbahnhof bis nach St Pancras in London in etwa vergleichbar. Da ich allein mit unserem damals 5 Monate alten Baby unterwegs war, fand ich die Möglichkeit, jederzeit meinen Sitz verlassen und herumlaufen zu können, sehr verlockend. Aber wie das manchmal so ist, folgte ein unvorhersehbares Ereignis auf das andere: Kaum in den Zug eingestiegen, war durch einen kleinen Windel-Unfall die komplette Garnitur des Kleinen schon einmal hinüber und da ich generell für den Trip sehr minimalistisch gepackt hatte, musste er den Rest der Fahrt etwas provisorisch gekleidet antreten. Auch mit der mehr als einstündigen Verspätung des Anschlusszuges in Brüssel hatte ich nicht unbedingt gerechnet; so wurde der Ess-Schlaf-Wickel-Plan, den ich mir vorher grob zurechtgelegt hatte, hinfällig. Zudem hatte ich unterschätzt, dass eine Zugfahrt von insgesamt vier Stunden plus Umsteigezeit mit einem Baby mit nur einer Sitzplatzreservierung ziemlich lang werden kann. Irgendwie muss ich nämlich den Zeitpunkt verpasst haben, an dem es dem kleinen Mann langweilig wurde, einfach nur auf Mamas Schoß zu hocken. Da ich aber auch nicht die Möglichkeit hatte, ihn neben mich zu legen, diente mein Sitz eher als Gepäckablage, während ich mit dem Knirps in der Bauchtrage eine gefühlt kilometerlange Wanderung im Wiegeschritt durch den Zug unternahm, um ihm beim Einschlafen zu helfen – oder ihn zumindest bei Laune zu halten. Er schien davon allerdings wenig beeindruckt zu sein. Ich war daher mehr als erleichtert, als ein nettes junges Paar, das offensichtlich meine Erschöpfung erkannte, sich seiner annahm und ihn über eine halbe Stunde beschäftigte.
Als ich dann im Bordbistro auch noch eine Essensbox geschenkt bekam, hob sich meine Stimmung langsam wieder. Ob diese Box jeder Reisegast erhielt (womöglich als Entschädigung für die Verspätung) oder ob ich einfach besonders bedürftig aussah, kann ich nicht sagen. Ich fragte auch nicht danach. Ich war einfach dankbar für die zusätzlichen Nährstoffe.
Wie so oft im Leben durfte ich durch diese Erfahrung aber lernen, was für mich auf einer Zugfahrt mit Baby besonders wichtig ist.
- Keine zu genauen Zeitpläne erstellen und flexibel bleiben
- Genügend Wechselkleidung für die Fahrt griffbereit haben
- Einen eigenen Platz für das Baby reservieren
- Eine Bauchtrage mitnehmen
- Genug Zeit zum Umsteigen einplanen
- Spielzeug einpacken
Fazit
Jedes Kind ist anders. Einige Babys sind die geborenen Automitfahrer, für andere wiederum ist jede Minute im Auto eine Qual. Für unseren mittlerweile 15 Monate alten Sohn ist jede Bahnfahrt aufregend und jeder Zug gleicht einem Abenteuerspielplatz. Er liebt es, die Gänge hoch und runter zu flitzen, auf die Sitze zu klettern, das Spielzeug der anderen Kinder zu mopsen, Fahrräder und Koffer zu inspizieren und Kontakt zu den Mitreisenden zu knüpfen. An Stillsitzen ist nicht zu denken.
Vor Kurzem habe ich eine junge Mama mit ihrem Baby im Zug angetroffen, während der Papa parallel mit dem Gepäck im Auto zum Urlaubsort fuhr. Eine für mich sehr einleuchtende Variante und ein anschauliches Beispiel dafür, dass jede Familie die für sich passende Art zu reisen finden muss.
Für uns bleibt es wohl trotz aller kleinen Tücken vorerst der Zug.
Über die Autorin Dominika Klingenthal
Sie liebt Giraffen, kleine Cafés, Bibliotheken und den Geruch von Regen.
Gibt es Fragen und Anmerkungen direkt an die Autorin?
Gerne an: D.Klingenthal[at]gmx.de
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© Texte und Bilder: Dominika Klingenthal