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USA-Lesetipp: William Faulkners „Absalom, Absalom!“ – Ein Klassiker neu übersetzt

Ein Lesetipp von den Autoren des Bandes „USA –Ostküste“ und mehrerer anderer USA-Bände, Margit Brinke – Peter Kränzle, Juni 2016

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Nach „Licht im August“ (2008), „Als ich im Sterben lag“ (2012) und „Schall und Wahn“ (2014) ist „Absalom, Absalom!“ die vierte Neuübersetzung eines Werkes von William Faulkner im Rowohlt Verlag. Die Übersetzung von „Absalom, Absalom!“ von Nikolaus Stingl bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit für deutschsprachige Leser, einen der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts wiederzuentdecken.

Vielschichtiges Werk von Faulkner

Faulkner-Portraaet-FaulknerLibraryVAWilliam Faulkner, am 25. September 1897 in Albany, Mississippi als „William Cuthbert Falkner“ geboren und vielgerühmt und ausgezeichnet, u.a. mit dem Nobelpreis, starb am 6. Juli 1962. Sein Werk befasst sich fast ausschließlich mit dem amerikanischen Süden, wo er auch lebte: „Rowan Oak“ heißt das Herrenhaus in Oxford, der Universitätsstadt mitten im Bundesstaat Mississippi, das William Faulkner bereits besaß, als er 1934 mit dem Manuskript von „Absalom, Absalom!“ begann. Zwei Jahre sollte es dauern, bis aus dem Konstrukt aus Kurzgeschichten und Figuren um den Infanterie-Colonel Thomas Sutpen der wirklich „große“ Roman des amerikanischen Südens entstanden war.
Es geht in dem Werk nicht nur um Aufstieg und Fall einer Familie und um die Geschichte der Südstaaten, es geht zugleich um Inzest und Gewalt, Verrat und Rassismus. Das deutet schon der Titel an, der sich auf die biblische Geschichte von Abschalom bezieht, einen Sohn König Davids, der seinen Halbbruder Amnon umbringen lässt, nachdem der seine Schwester Tamar vergewaltigt hatte.

Die Familiengeschichte der Sutpens

„Absalom, Absalom!“ – der Klageruf König Davids, als er vom Tod seines aufsässigen und widerspenstigen Sohns erfuhr – ist der vielleicht berühmteste und beste Roman von Faulkner und Teil seiner Serie aus dem fiktiven Yoknapatawpha County in Mississippi. IFaulkner-RowanOak-FotoUMMuseumm Mittelpunkt steht die Familiengeschichte der Sutpens, die sich über mehr als ein Jahrhundert hinzieht. Ihr Schicksal steht zugleich beispielhaft für den Niedergang der Südstaaten.
Während der erste Erzählstrang in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts ansetzt und bis zum Ende des Bürgerkriegs 1865 dauert, beginnt der zweite im Januar 1910 in Harvard, wo der Student Quentin Compson dem Drama um den Sutpen-Clan in seiner Heimatstadt auf den Grund gehen will und die einzige Überlebende der Familie, Rosa Coldfield, dazu befragt.
Am Anfang steht Thomas Sutpen, der in den 1830er-Jahren mit einer Baumwollplantage zu Wohlstand und Ansehen gelangt war. Als Sohn Henry seinen Studienfreund Charles Bon mit nach Hause bringt, nimmt das Unglück seinen Ausgang, verliebt sich doch der dunkelhäutige Bon in Sutpens Tochter Judith. Sutpen widersetzt sich einer Heirat, da doch Bon – was niemand weiß – Sutpens Sohn aus erster Ehe ist, die er früher auf Haiti mit der Tochter eines reichen Plantagenbesitzers eingegangen war. Der Bürgerkrieg beschleunigt die Tragödie: Henry tötet seinen Halbbruder, Sutpen wird von einem Farmer erschossen und das Herrenhaus mit seinen letzten Bewohnern brennt schließlich nieder.

Schwieriger Lesestoff gut übersetzt

Die verbindenden Elemente in der äußerst komplexen Geschichte, bei der sich Zeitebenen überlagern und Vergangenheit und Gegenwart ineinander fließen, sind der Student Quentin und die überlebende Rosa. Durch die nicht-lineare Erzählweise und die Verschmelzung von Dialogen und inneren Monologen stellt die Lektüre große Ansprüche an den Leser. Vielleicht deshalb wurde die neue Rowohlt-Ausgabe um einen Plan der Örtlichkeiten, einen Familienstammbaum, eine Genealogie und eine Chronologie ergänzt.
Nikolaus Stingl ist es gelungen, mit seiner Übersetzung bei Rowohlt das sprachliche und strukturelle Gewirr, besonders im ersten Teil des über 470 Seiten umfassenden Romans, zu meistern, wobei er sich einige Freiheiten bei der Übertragung erlaubt hat. Beispielsweise wurde der bei Faulkner sorgfältig nachgeahmte starke Dialekt vieler Afroamerikaner im Deutschen zurückhaltender wiedergegeben als früher. Mit dem vorzüglichen Band liegt erstmals auch eine Übersetzung des 1986 veröffentlichten Originaltexts von „Absalom, Absalom!“ in deutscher Sprache vor.

U1_978-3-498-02134-4.indd• William Faulkner, Absalom, Absalom! (Rowohlt Verlag Hamburg, 2015), Übersetzung Nikolaus Stingl, mit Karte, Chronologie und Genealogie, 480 Seiten, 24,95 Euro

© Text: M. Brinke-P. Kränzle, Fotos: Faulkner Library Virginia (Porträt), University of Mississippi Museum (Rowan Oak), Rowohlt Verlag (Buchcover).

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