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USA-Buchtipp: Get your kicks on Route 66

Ein Buchtipp von den Autoren mehrerer USA-Bände bei Iwanowski’s, darunter „USA-Texas“ und „USA-Westen“, Dr. Margit Brinke – Dr. Peter Kränzle, Mai 2018

Es ist ein gewichtiger Bildband über ein viel behandeltes Thema: Die legendäre Route 66. Gerade in Deutschland hat die „Mother Road“, wie sie auch genannt wird, einen besonderen Klang. Jede/r assoziiert die weltberühmte Straße mit Bikes und Classic Cars, Freiheit und Weite. Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, auf dieser historischen Überlandverbindung der untergehenden Sonne entgegen zu fahren?

Inhalte

Straße mit Geschichte

Die Route 66 ist aber vor allem ein Stück Geschichte: 1926 wurde sie als erste durchgehende Verbindung zwischen dem Mittleren Westen (Chicago) und der Westküste (Los Angeles) eingeweiht. Cyrus Avery aus Tulsa/Oklahoma und John Woodruff aus Springfield/Missouri planten im Auftrag der Regierung die rund 4.000 km lange Strecke. Nicht der kürzeste Weg war das Ziel, sondern möglichst viele Ortschaften an das Straßensystem anzubinden.

Legendär wurde die Route 66 schon kurz nach der Eröffnung, denn nach der Weltwirtschaftskrise und den Dürreperioden zogen unzählige Menschen auf der Straße Richtung Kalifornien – John Steinbeck schilderte diese Trecks eindrucksvoll in „Früchte des Zorns“ und „erfand“ auch den Namen „Mother Road“. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Straße auf vier Fahrbahnen erweitert, man begann Begradigungen vorzunehmen und Ortsumfahrungen zu bauen – der erste Schritt in Richtung Interstate System war getan. 1977 schließlich lösten neue Autobahnen mehr und mehr die alte Route 66 ab.

Obwohl die Route 66 von Chicago nach Los Angeles acht Bundesstaaten durchquerte, wurde ihre historische Bedeutung lange ignoriert. Erst nach und nach wurden Hinweisschilder aufgestellt und vorhandene Abschnitte unter Denkmalschutz gestellt.

Man kann noch heute einige originale Streckenabschnitte befahren, wobei es durch verschlafene Ortschaften, vorbei an alten Diners und Tankstellen sowie an grandiosen Landschaften geht. Speziell jene Abschnitte, die noch den alten Pflasterbelag tragen, vermitteln das Gefühl, die Zeit sei stehen geblieben.

Freddy Langer auf Tour

Kürzlich erschien im Knesebeck Verlag von Freddy Langer ein neuer Bildband über die berühmteste Straße der USA. Beim ersten Durchblättern fallen zunächst vor allem die Fotos auf, die „alt“ wirken, jedoch „retro“ gemeint sind – man könnte sagen „mit nostalgischem Charme“. Ansonsten gliedert sich der Band in mehrere Abschnitte: Nach einer Einleitung geht es in acht Kapiteln um die Bundesstaaten, die die Strecke quert, von Illinois bis Kalifornien. Im Anhang des Buches befinden sich schließlich noch reisepraktische Hinweise für eine dreiwöchige Tour in Tagesabschnitten.

Der Reisejournalist und Fotograf Langer, tätig für die FAZ, hat die Route 66 selbst schon in der Vergangenheit mehrfach abgefahren, aber für den Band jetzt die Tour von Chicago nach Los Angeles noch einmal unternommen. Vergangene und aktuelle Erfahrungen verschmelzen, es geht um die Kulturgeschichte einer Straße und ihrer Bewohner. Der Text wechselt zwischen Impressionen, Begegnungen und Analysen – alle Fotos stammen von Langer selbst.

Erinnerungs- und Erzählbuch

Um es gleich vorwegzunehmen: Dieser Band ist weniger Reisebeschreibung, sondern eher ein persönliches Erinnerungs- und Erzählbuch mit feuilletonhaften, subjektiven Lesegeschichten. Es „menschelt“ stark in dem Buch (und auf den Fotos) und Personality Stories stehen im Vordergrund. Es geht um Lebensgeschichten wie die von Bob Waldmire, eines Hippies an der Route 66, um Lowell Davis, Hobbykünstler, der an der Route 66 aufwuchs, um das Geburtshaus von Belle Star – zeitweilige Partnerin des Outlaws Jesse James –, um George Bowick, Sammler alter Fahrzeuge und Musikboxen, um den Friseur Angel Delgadillo in Seligman/Arizona oder um den Wirt vom „No Tell Motel“. Langer befasst sich mit den Menschen am Weg, aber auch mit Religion, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, z.B. mit Jeffersons mutigen Akt, durch den Louisiana Purchase den Westen zu erschließen oder mit der heutigen Situation von Indianern und Hispanos.

Langer ist Amerikafan und -kritiker in einem. Er genießt seine Bekanntschaften, widmet sich aber auch dem Wesen der Amerikaner und dem American Way of Life. Er schreibt beispielsweise ausführlich über amerikanische Eigenarten wie das Bestellen und die Auswahl beim Frühstück und das ungesunde Essen im Allgemeinen. Im Vordergrund stehen jedoch kuriose Stopps und Begegnungen entlang der Strecke, es geht um legendäre Diners und Hotels, Sights und Museen, Biker Treffs und Classic Cars, Neonreklamen und Tankstellen, aber auch um atmosphärische Schilderungen der Landschaft.

INFO

Freddy Langer, Route 66. Reisen auf der berühmtesten Straße der USA, Knesebeck Verlag München, www.knesebeck-verlag.de, 224 Seiten mit 250 farbigen Abb., ISBN 978-3-86873-986-2, 2016, 34,95 Euro

© Text: Dr. M. Brinke – Dr. P. Kränzle,
Fotos (von eigenen Reisen der Autoren dieses Artikels): © M. Brinke,
Buchcover: © Knesebeck Verlag.

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