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Ein Monat im Zeichen des Krebses
Kommt der Reisende im August nach Schweden, bemerkt er bald, dass dieser Monat ganz im Zeichen des Krebses steht. Es ist die Zeit der Krebsessen (Kräftskiva), die anlässlich des nahenden Endes des Sommers in noch lauen Nächten möglichst unter freiem Himmel und unter der Beleuchtung von Lampions gefeiert werden. Es sind überwiegend Familienfeste, es gibt aber auch Krebsessen mit Volksfestcharakter.
Die Tiefkühltruhen der Supermärkte sind randvoll mit Flusskrebsen aufgefüllt, zum Kult um die Krebsfestessen gehören zudem mit Krebsen bedruckte Pappteller, Servietten, Schürzen sowie spezielle Schalen, Gläser, ferner bunte Papierlaternen, witzige Mondgesichter usw. Gekocht werden die Krebse in Salzwasser und mit Dillblüten. Und man isst sie kalt und mit den Fingern, dazu werden Brot und Käse mit Kümmel gereicht. Die Kinder bekommen dazu Fruchtlimonade (Sockerdricka), die Erwachsenen trinken Bier (öl) und Schnaps (Aqvavit oder brännvin). Wird die Stimmung so richtig ausgelassen, werden gern Trinklieder zum Besten geben – pro Schnaps ein Lied.
Tradition des Krebsfestessens
Die Tradition der Krebsfestessen ist nicht sehr alt. Als vor rund hundert Jahren die auch in europäischen Metropolen begehrten schwedischen Flusskrebse von der Ausrottung bedroht waren, erließen die Behörden ein Fangverbot, das nur für einige Wochen im Herbst außer Kraft gesetzt wurde, sodass das schwedis che Bürgertum das Krebsessen in jenen Tagen als etwas Besonderes zelebrierte. Wer die Möglichkeit (und eine Lizenz) hat, fängt sich die Krebse für das Abendessen selbst. Der Krebs ist ein Nachttier und der Fang muss nach Einbruch der Dunkelheit stattfinden. Gefischt wird üblicherweise mit Reusen und Köder. Als 1907 eine tödliche Krebspest die schwedischen Flusskrebse weitgehend vernichtete, blieb nur noch der Import der Schalentiere, um das ritualisierte Krebsfestessen bis zum heutigen Tag aufrechtzuerhalten. Die Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre von den Behörden und Privatpersonen ausgesetzten Signalkrebse aus den USA haben sich reichlich vermehrt. Sie sind im Gegensatz zu den schwedischen Edelkrebsen besser gegen die Krankheit gefeit, sind den Flusskrebsen aber ansonsten ähnlich – und daher ebenso beliebt für das Krebsessen.
Eine kleine Gruppe von Berufsfischern in den Seen Vättern und Hjälmaren lebt inzwischen gut vom Verkauf der „signalkräftor“. Ein Kilo in Schweden gefangener Krebse kostet etwa SEK 500. Die meisten der in Schweden verzehrten Krebse stammen zudem aus den USA, China und der Türkei. Zu den jährlich 2.500 Tonnen Krebsen aus dem Ausland kommen etwa 1.500 Tonnen in Schweden gefangene Krebse.
Text: Gerhard Austrup aus 101 Skandinavien
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