Eine kleine Apfelwein-Kunde und ein besonderer Restauranttipp in New Yorks trendigem Borough Brooklyn von den Autoren mehrerer USA-Bände, darunter „USA-Nordosten“ und „USA-Ostküste“, Dr. Margit Brinke – Dr. Peter Kränzle, Dez. 2019
Inhalte
„Hard Cider“ gilt heute in den USA als die am schnellsten wachsende Alkohol-Sparte und ist überall im Land höchst populär. Das Brooklyn Cider House (BCH) im angesagten Stadtviertel Bushwick ist stolz darauf, New Yorks erste Farm Cidery gewesen zu sein. „BCH“ ist aber mehr als nur ein Cider House, es ist Restaurant und Bar, verfügt über eine Gastterrasse und bietet Tastings, Workshops, Livemusik u. a. Events an.
Cider (engl.) oder Cidre (frz.) wird prinzipiell aus einer einzigen Zutat hergestellt: Äpfeln. Von deren Qualität hängt alles ab und daher kommen sie im BCH von den eigenen Apfelbäumen auf einer Farm in New Paltz im Hudson Valley, knapp zwei Stunden von NYC entfernt. Die Äpfel werden im Herbst gepflückt und kommen zur Fermentation sofort in Edelstahltanks, um dort zwei bis 18 Monate zu lagern. Die meisten Hard Cider von BCH fermentieren spontan mit wilden Hefen, nur bei wenigen wird Weinhefe beigegeben.
Cider, Cidre, Apfelwein
Cider wird seit Jahrtausenden bevorzugt aus wilden Äpfeln (Malus sylvestris, Holzäpfel oder Crab Apples) hergestellt. Es handelt sich um einen moussierenden Apfelwein aus meist verschiedenen Apfelsorten, oder, man könnte auch sagen, um vergorenen Apfelsaft, der in geschlossenen Containern und durch Fermentation Alkohol gebildet hat.
Die französische Cidre-Produktion ist die weltweit größte. Bei den französischen und belgischen Varianten unterscheidet man vor allem den herberen „Cidre brut“ (ca. 5 % Alkohol) und den nur schwach alkoholhaltigen, süßlichen „Cidre doux“. Europäer sollen im 17. Jahrhundert den Apfelwein mit in die USA gebracht haben, wo heute Sweet und Hard Cider verbreitet sind. Basis beider ist Apfelsaft, den Unterschied machen Fermentierung und Apfelsorten aus: stärker astringente, tanninhaltige Äpfel für trockene Hard Cider bzw. süßere Tafeläpfel für den alkoholfreien Cider (eigentlich trüber Apfelsaft), der gerne auch heiß, z. B. mit einer Zimtstange, getrunken wird.
Baskische Tradition in Bushwick
Beliebt ist Apfelwein („Sidra“) auch im Baskenland, vor allem rund um San Sebastián. Dort gibt es zahlreiche Sagardotegi, alte Bauernhäuser mit Kellereien, in denen Apfelwein produziert wird und es gesellig zugeht. Zum Apfelschaumwein werden traditionelle Gerichte wie Tortilla de Bacalao (Kabeljau-Omelett) oder Txuleton (Ochsensteak) serviert. Der Cider fließt aus Hähnen an großen Holzfässern, welche in regelmäßigen Abständen, begleitet von dem Ruf „Txotx!“ (vergleichbar mit dem bayerischen „O’zapft is!“) geöffnet werden. Die Gäste stehen an, um ihre Gläser der Reihe nach mit Apfelwein zu füllen, der in feinem Strahl aus dem Fass strömt und ein Stück entfernt, möglichst bodennah und ohne Verluste, aufgefangen wird.
Ein solches Sagardotegi besuchte Peter Yi – Wein-Connaisseur und Besitzer von „PJ Wine“ – im Baskenland und lernte dort Natur-Cidre und die Tradition, ihn aus dem Fass „zu fangen“, kennen. Heimgekehrt, überzeugte er seine Schwester, Susan Yi , bis dahin Lehrerin, von der Idee, in New York auch so etwas zu machen, und 2014 begannen die beiden Äpfel und Cidre zu studieren. Ihr Ziel war, „wildly natural cider“ herzustellen. Im Hudson Valley kauften die beiden 2015 Twin Star Orchards, einen alten Apfelhain, und bauten dort eine Cidery mit Tasting Room und Laden auf. „Ugly apples taste better” lautet die Devise bei BCH, denn häßliche, kleine Äpfel sind für Hard Cider meist besser geeignet als kommerzielle Äpfel, bei denen Aussehen und Größe wichtiger sind als der Geschmack. Wenig später pflanzten die Yis eigene Bäume dazu, mit speziellen säurehaltigen und krankheitsresistenten alten Sorten.
Gemütlich-rustikale Atmosphäre im Brooklyn Cider House
Im Dezember 2017 eröffneten die Geschwister dann das Brooklyn Cider House und bieten seither ihren Gästen denselben Spaß an wie in einem baskischen Sagardotegi: „Cider Catching“.
Beim „Menú de Sidrería“ für günstige 45 US-Dollar darf man sich zweimal beim „Fangen“ des „Raw Cider“ an riesigen spanischen Holzfässern beweisen und isst zwischendurch zum Beispiel Grilled Vegetables & Chorizo, Tortilla de Bacalao und ein delikates Cowboy Rib-Eye Steak. Außerdem stehen andere rustikale Gerichte, wie Platten mit spanischen Käsen, Korean Fried Chicken Wings, Pretzel, Nachos oder Pajeon (koreanische Pfannkuchen), Burger, Lamm und andere Fleischgerichte auf der Speisekarte.
Der Cider selbst wird im BCH in verschiedenen Varianten, alle mit durchschnittlich 6-7 % Alkohol, angeboten. Gleich vorweg: Keine davon ist so süß wie die hierzulande bekannten französischen Varianten, selbst in der brut-Version. Am stärksten angelehnt an die baskische Tradition ist der „Raw“, der in Bushwick hergestellt wird und mit wilden und Weinhefen dreimal fermentiert, für mindestens sechs Monate gelagert wird.
„Kinda Dry“ und „Half Sour“ – letzterer ausgezeichnet als „Best New York Craft Cider“ – sind eher halbtrocken. „Bone Dry“ soll an den ursprünglichen Stil amerikanischen Ciders erinnern und erhielt schon mehrere Auszeichnungen., „Still Bone Dry“ ist hingegen sehr trocken und unfiltriert, lagert zwölf Monate auf der Hefe und sechs Monate in der Flasche; er gleicht fast Weißwein. Zusätzlich gibt es „Limited Releases“ und wer sich nicht sicher ist, kann zunächst mit einem „Flight“ verschiedene Sorten in kleinen Mengen probieren. Außer eigenem Cider werden die Produkte von anderen Cideries angeboten und es gibt geniale Cider Cocktails, aber auch Wein und Bier in guter Auswahl.
Genießen kann man Apfelwein und Gemütlichkeit in einem großen Ziegelgebäude, in fast bierhallen-ähnlichem Ambiente, oder auf der Terrasse, die im Sommer immer gut gefüllt ist. Graffiti schmücken die Wände innen und außen und es gibt eine schicke Bar und viel Platz für Gruppen. Die Twin Star Orchards in New Paltz in Upstate New York können ebenfalls besucht werden. Hier gibt es zum Cider z. B. Pizza, Burger und andere saisonale Produkte aus eigener Herstellung, dazu einen Laden, und man kann „ugly apples“ sogar selbst pflücken.
INFO: Twin Star Orchards, 155 N Ohioville Rd., New Paltz/NY, www.twinstarorchards.com, April–Anf. November geöffnet. © Text: M. Brinke – P. Kränzle © Fotos: MST Creative PR (Lily Brown, Michael Tulipan, Young Kim), Twin Star Orchards, M. Brinke (Bushwick Murals, Union Square Market)
Brooklyn Cider House, 1100 Flushing Ave, Brooklyn/Bushwick (nahe Subway-Stop „Jefferson Street“ der L-Line), www.brooklynciderhouse.com, tgl. außer Mo. ab mittags geöffnet, Lunch, Dinner und am Wochenende auch Brunch, z. B. mit Cider Doughnuts oder Apple Fritters. Auch Flaschenverkauf vor Ort und bei Whole Foods oder Eataly.
TIPP: In der Nähe von BCH, um den Jefferson Street Subway Stop, befinden sich zahlreiche Murals (Wandmalereien) des sog. Bushwick Collective. Joe Ficalora ist Gründer dieser losen Gruppe von Street-Art-Künstlern, deren Kunstwerke heute viele der ehemals tristen Industriefassaden Bushwicks zieren. Infos: www.facebook.com/TheBushwickCollective