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Weihnachten in … Kalifornien: Ohne Schleife geht es nicht – Eine Kleinstadt im Weihnachtsfieber

Beobachtet von Armin E. Moeller

Die Schleife muss sein, unbedingt! „Ohne – das geht gar nicht!“ Tom Bass, vom Aussehen und von seinen Überzeugungen her ein Bilderbuchamerikaner ist absolut überzeugt davon. Seine Nachbarin Betty hatte vor Jahren elektrische Lichterketten so über ihr Haus legen lassen, dass es wie ein supergroßes Weihnachtspaket aussah mit Schleife auf dem Dach. Das kam bestens an. „Jetzt kann sie nicht mehr zurück.“ Die Nachbarschaft in Seal Beach, einer Kleinstadt im Süden von Los Angeles, wartet jedes Jahr auf das „Haus wie ein Paket.“ Die rot illuminierte Riesenschleife lässt sich Betty jährlich 1200 Dollar kosten – für den Elektriker. Der klettert aufs Dach und installiert die Lichtbänder. „Es würde sie Ansehen kosten, würde sie darauf verzichten.“ Tom Bass: „In den Vororten ist das wie ein Fieber.“ Man müsse sich das wie einen Wettbewerb vorstellen, beschreibt er die Stimmung. „Da macht man einfach mit.“ Bass schraubt deshalb in diesem Jahr zusätzliche Haken unter die Dachbalken seines Vordaches. „Wir hängen mehr und noch buntere Ketten auf als voriges Jahr.“ Blinkende rotgrün-gelbe Riesensterne liegen getestet in der Garage bereit. Die Heilige Familie„Die kommen vors Fenster.“ Wo es in Süd-Kalifornien am meisten zu sehen gibt, spricht sich schnell herum. Es gibt Straßen, in denen man vor Weihnachten mit dem Auto nur im Schritttempo vorankommt, so wild wird kreuz und quer geparkt. Die Schaulustigen kommen mit der Dämmerung gleich in Gruppen, um zu sehen, was dort alles blinkt und glitzert. „Wir haben hier die beste Weihnachtsdekoration“, davon sind die Anwohner überzeugt. Sie sind stolz darauf: „Zu uns kommen die Leute von weit her. Mehr als das, was wir hier zeigen, das ist nicht möglich.” Das mag stimmen.
Bereits Anfang, Mitte November – die bunte Lichterschau zu Halloween ist gerade abgebaut –  und fast über Nacht wurde umdekoriert. Die Weihnachts-Dekoration wird aus der Garage geholt. Jetzt beginnt die große Christmas-Show. Endlich! Von den Giebeln der Häuser grüßt Santa herunter – ein von innen leuchtend  rot beleuchteter Weihnachtsmann, so wie er in Amerika aussehen muss. Auf dem Dach unter ihm scheint es mehr Lämpchen zu geben als Sterne am Himmel. Der Vorgarten wurde mit weißen Laken und Wattepaketen in eine Schneelandschaft verwandelt. Hier tummelt sich eine ganze Rotwildherde aus blinkendem Draht, dort zieht ein glitzerndes Rentiergespann einen Schlitten voller bunter Geschenkpakete hinter sich her. Dass die Nase des ersten Rentiers rot leuchtet, gehört dazu. Die Geschichte von Rudolf the Red-Nosed-Reindeer kennt schließlich jedes (amerikanische) Kind. Maria mit dem Jesuskind in Leucht-Rosa, aber auch eine ganze Krippe mit ständig nickenden Drei-Königs-Figuren – es gibt alles. Und alles ist ernst gemeint. Der Gartenzaun verschwindet hinter Dutzenden von Leuchtketten in dezentem Himmelblau. In einer Garageneinfahrt summen mehrere Gebläse. Figuren in mannshohen Kugeln aus fensterklaren Folien sind der neueste Schrei, die automatischen Blasebälge halten sie in Form. Micky Maus, Donald Duck, Bart Simpson, Peter Pan, Superman und andere Comicfiguren sind mehr oder weniger gekonnt in Gruppen aufgebaut worden – alle streng auf Weihnachten getrimmt. Dass sich die Farben beißen, was macht das schon? Es gilt: „Je farbiger, umso besser.“ Vor über 60 Jahren, „kurz nach dem Koreakrieg“, habe das alles angefangen, erinnert sich Bass. Da hätten die ersten Familien den leuchtenden Christbaumschmuck aus dem Haus geholt und im Vorgarten verteilt. „Da ist mein Dad mit uns Kindern hingefahren, und wir haben die Lichter bestaunt.“ Damals begannen die Hausbesitzer weitere Außensteckdosen auf der Straßenseite ihrer Häuser anzubringen. „Das ist heute in den USA Standard“, meint der Kalifornier. Zum Fest, immer öfter schon Anfang Oktober, werden dort in Baumärkten, in Eisenwarengeschäften und im Elektrohandel große Flächen für den elektrischen Hausschmuck frei geschlagen. Auch die großen Lebensmittelsupermärkte bieten diverse Lichterketten an und verkaufen zudem Ersatzteile, vor allem Ersatzbirnchen, und die neuen elektronischen Leuchten. „Es darf ruhig was kosten“, rechnet Bass vor. „Es gibt Häuser, wo es 20.000-Dollar-Ausstattungen zu sehen gibt. Da leuchtet dann alles.“ Hier sind dann die Besitzer täglich damit beschäftigt ihre Show in Gang zu halten, etwa mit dem elektrischen Seifengebläse, dessen Schaum wie Schnee aussieht. „Wenn du in solcher Umgebung lebst, musst du mitmachen. Sonst sähe dein Haus nackt aus. Wer will das schon?“, sagt Bass und schraubt weitere Haken in die Balken. „Elektrizität? Klar, das kostet. Aber was sind denn schon 120 Dollar für den Extrastrom, wenn dafür die Lokalzeitung und das örtliche Fernsehen über dein Haus berichtet“ Er ergänzt: „Krise hin, Krise her –Weihnachten ohne Deko, das wäre doch kein Christmas, oder?“

© Armin E. Moeller

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