Una Tierra … One Land von den Autoren, M. Brinke – P. Kränzle, Mai 2013
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Die Mulis dösen im Schatten der Mesquite-Sträucher, eine Hand voll Mexikaner hat es sich unter einem palmenbedachten Unterstand bequem gemacht – trügerische Ruhe liegt im Tal des Rio Grande im mexikanisch-amerikanischen Grenzland. Die Szenerie erinnert an die Eingangssequenz eines Spaghetti-Western, doch als Victor die ersten Takte des bekannten mexikanischen Volksliedes „Cielito Lindo“ zu schmettern beginnt, wird die Siesta jäh unterbrochen: „¡Ay, los Gringos!“ Plötzlich ist alles in Bewegung, das kleine Runderboot überquert in Windeseile den eher an einen Bach als an einen „großen Fluss“ erinnernden Rio Grande und bringt Besucher aus den USA in wenigen Minuten hinüber nach Mexiko.
Neuer Grenzübergang im Big Bend National Park Texas
„Boquillas Crossing“ heißt der im April 2013 neu eröffnete Grenzübergang im Big Bend National Park im Westen des US-Bundesstaates Mexiko. „Ich bin überglücklich,“ strahlt Victor Valdez, bekannt als der singende Fährmann. Damals, in den 1990er-Jahren war er es, der die Grenzgänger über den Rio Grande brachte, doch als man 2002 nach den Ereignissen von „9-11“ den Grenzübergang schloss, schien das mexikanische Dorf Boquillas del Carmen dem Untergang geweiht. Fünf Stunden braucht man auf einer Schotterpiste bis nach Melchor Muzquiz, der nächstgelegenen mexikanischen Stadt im Süden. Kein Wunder, dass bis 2002 das Dorf sich eher dem benachbarten Texas zugehörig fühlte als Mexiko. Schließlich gilt hier im Tal des Rio Grande das Motto „Una Tierra … ein Land“ und Gringos, Mexikaner und Apache-Indianer leben seit Jahrhunderten in enger Nachbarschaft, die Grenze war und ist für sie nur eine willkürliche Linie.
Boquillas Crossing – Ideal für einen Abstecher nach Mexiko
Der Big Bend National Park im Westen von Texas ist ziemlich abgelegen und entsprechend wenig besucht. Was nur von Vorteil ist, denn dadurch lässt sich eine der ungewöhnlichsten und schönsten Landschaften Nordamerikas weitgehend ungestört genießen.
Der Rio Grande hat sich auf in einer großen Schleife – daher der Name „Big Bend“ – einen Weg durch die Berge und die Chihuahua-Hochwüste gebahnt. Im Nationalpark und im westlich anschließenden State Park – vom malerischen Scenic Byway Farm Road 170 durchquert – können Besucher die ungewöhnliche Kombination von Wüsten- und Bergwelt kennenlernen, die eines der vielseitigsten Ökosysteme Nordamerikas darstellt, mit unzähligen Pflanzen, Amphibien, Vögeln und Schmetterlingen. Dank der Grenzöffnung erhofft man nun auf eine Ausweitung des Ökotourismus vom Nationalpark in Texas auf die mexikanische Seite, genannt „Parque Nacional Ocampo“.
Boquilla del Carmen – Wanderungen und Bergtouren in die Sierra del Carmen
Schon in den 1990ern war Boquilla del Carmen ein Geheimtipp: Wanderungen, Ausritte, Bergtouren in die angrenzende Sierra del Carmen, heiße Quellen und Bootstouren auf dem Rio Grande sicherten dem kleinen Ort einst sein Überleben. Und das soll wieder so werden, weswegen die Wiedereröffnung von „Boquillas Crossing“ mehr ist als nur eine unkomplizierte Gelegenheit für Nationalpark-Besucher zu einem kurzen Abstecher nach Mexiko: Nach über zehn Jahren der Trennung kann die Region wieder zusammenwachsen. „Die engen Kontakte innerhalb der Grenzgemeinden machen erst die Besonderheit des Big Bend aus,“ erklärt Marcos Paredes, einst Wanderführer auf mexikanischer Seite, dann Park Ranger im Big Bend NP: „Una Tierra…“ Bereits wenige Wochen nach der Wiedereröffnung der Grenzstation ist Boquillas aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Lokale wurden eröffnet, ein Besucherzentrum und Läden eingerichtet und fast vor jedem Haus werden die typischen Drahtskorpione als Souvenirs verkauft.
Nun denkt man auch daran, das einstige einzige Hotel am Ort, „The Buzzard’s Roost“, wieder herzurichten. Ernesto Hernandez soll als Tourismusfachmann im Auftrag der Provinzverwaltung nachhaltigen Fremdenverkehr im mexikanischen Naturschutzgebiet um Boquillas aufbauen. Unterstützt wird er dabei von seinem texanischen Freund, Mike Davidson, Chef des Brewster County Tourism Council, zu dem der Big Bend NP gehört. „Einst galt Boquillas als „Wild West Getaway“,“ erzählt Mike, „man genoss weniger die unberührte Natur, als vielmehr Tequila und Bier …“ Damals war der Ort voller Leben, gegenwärtig sind knapp über 100 Menschen hier zuhause – allerdings ist die Euphorie überall zu spüren.
• Big Bend National Park: www.nps.gov/bibe
• Big Bend Country/Brewster County: www.visitbigbend.com
• Boquillas Crossing: Zugang im Südosten des Big Bend NP nahe Rio Grande Village (ausgeschildert), geöffnet Mi.-So. 9-18 Uhr (Reisepass nötig), $ 5 für Fähre sowie $ 5 für Transport ins Dorf (per Pickup, Pferd oder Muli). Grenzbeamter in Mexiko, bei Ausreise aus Mexiko Überprüfung mittels Automat (Scannen des Passes, Telefonat, Kamera).
Übernachtung
Unterkunft: In Boquillas gibt es (noch) kein Hotel. Im Big Bend NP gibt es die Chisos Mountains Lodge (rechtzeitige Reservierung nötig: www.chisosmountainslodge.com). Im Westen des NP, an der Grenze zum Rio Grande Ranch State Park, befindet sich das Lajitas Golf Resort & Spa (www.lajitasgolfresort.com), traumhaft gelegenes Resorthotel im Stil eines historischen Westerndorfs. In der Ortschaft Marathon, etwa 60 km nördlich des Zugangs zum NP, empfiehlt sich das Gage Hotel (www.gagehotel.com). Neben dem historischen Hauptbau (mit ausgezeichnetem 12 Gage Restaurant und White Buffalo Bar) gibt es Zimmer in einem nachgebauten mexikanischen Hazienta. Im größten Ort der Region, dem Universitätsstädtchen Alpine (knapp 6000 Einwohner), etwa 130 km nordwestlich des NP, war einst Dan Blocker, berühmt geworden als Hoss der Westernserie „Bonanza“, zuhause. Heute findet sich an der Hauptstraße (US Hwy. 90) Läden und Lokale sowie das historische Holland Hotel (http://thehollandhoteltexas.com).
© Margit Brinke und Peter Kränzle. Autoren des Bandes „USA-Texas & Mittlerer Westen“
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