Kommentare 0

LESETIPP: Das Paradies der kleinen Dinge. Ein gemeinsames Tagebuch von Sophia & Nathaniel Hawthorne

Buchtipp von den Autoren des Bandes „USA–Ostküste“ sowie Mitautoren des Bandes „USA-Nordosten“ Margit Brinke und Peter Kränzle, Mai 2014

Nathaniel Hawthorne, geboren 1804 in Salem/Massachusetts, gestorben 1864 in Plymouth/New Hampshire – gilt als einer der bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller, berühmt geworden durch seine beiden Hauptwerke „Der scharlachrote Buchstabe“ und „Das Haus mit den sieben Giebeln“. Dank des von Alexander Pechmann ausgezeichnet übersetzten und herausgegebenen gemeinsamen Tagebuchs von Sophia und Nathaniel Hawthorne lernt man Hawthorne nun von einer ganz anderen, liebevoll-humorvollen und lebensfrohen Seite kennen. Alleine das brillante Vorwort von Peter Handke macht den kleinen, auch handwerklich hervorragend erstellten Band des Jung und Jung-Verlages aus Österreich (Salzburg und Wien) zu einem literarischen Juwel. Das gemeinsame Tagebuch des jungen Ehepaares Sophia und Nathaniel Hawthorne aus den ersten beiden Ehejahren in Concord/Massachusetts ist ein heiteres Dokument eines glücklichen Lebens und bietet dem modernen Leser einige Stunden Lektürevergnügen.

Wilde Jugendjahre der amerikanischen Literatur

Die Jahre um die Mitte des 19. Jahrhunderts gelten zu Recht als die wilden Jugendjahre der amerikanischen Literatur. Damals waren Boston und das Umland, zu dem auch die Ortschaft Concord gehörte, das Zentrum von Dichtern und Denkern wie Ralph Waldo Emerson (1803-1882), Henry David Thoreau (1817-1862), Herman Melville (1819-1891) und eben Hawthorne. Während Emerson in seinen Schriften und mit der Förderung der Brook Farm, der ersten Hippie-Kommune, Gruppengeist und „Zurück zur Natur“ feierte, waren sowohl Thoreau als auch Hawthorne Einzelgänger. Ersterer überwarf sich immer wieder mit Emerson und startete sein eigenes Naturexperiment („Walden. Leben in den Wäldern“), Letzterer hielt es in Brook Farm nur ein halbes Jahr aus und zog sich mit seiner Sophia dann in ein altes Pfarrhaus in Concord, einem kleinen Städtchen im Nordwesten von Boston, zurück.
Das Pfarrhaus hatte einst Emersons Großvater als Ortsgeistlicher erbaut und in einer „allerreizendsten kleinen Studierstubenecke“ hatte Emerson seinen berühmten Essay „Natur“ geschrieben. Nun hatte sich Hawthorne hier eingemietet und verbrachte, frisch verheiratet, drei glückliche Jahre. Die Hawthornes liebten dieses Haus, den Blick aus dem Fenster auf den wild wuchernden Garten, die Obstbäume und die verträumte Flusslandschaft mit jener Brücke, die das erste Gefecht des Unabhängigkeitskrieges erlebt hatte.
Im Sommer 1842, wenige Wochen nach der Hochzeit und dem Einzug ins ehemalige Pfarrhaus, begannen Hawthorne und Sophia – 1809 als Sophia Peabody in Salem geboren und gestorben 1871 in London –, ein gemeinsames Tagebuch zu schreiben. Für wen und warum, bleibt ihr Geheimnis. Wollten sie damit das Glück, einander gefunden zu haben, festhalten? Oder ihr kleines Paradies mittels Sprache überhaupt erst schaffen? Die ersten Monate und Jahre waren für das Paar nicht leicht: Geldsorgen, eine Fehlgeburt, die Einsamkeit des Landlebens. Hinweise darauf finden sich jedoch nur sporadisch, vielleicht deshalb, weil Sophia Teile des Tagebuchs nach Nathaniels Tod vernichtet hat.
Während Nathaniel die Ereignisse, den Lauf der Jahreszeiten, den Garten, die Freunde und ihr gemeinsames Glück fast schon romanreif erzählt, schreibt Sophia emotionaler, mit Liebe und Begeisterung über ihr neues Leben und ihr Glück. In seinen schönsten Momenten zeigt das gemeinsame Tagebuch, das voller Leichtigkeit, Heiterkeit und Gelassenheit ist, wo das Paradies verborgen sein könnte: in den kleinen Dingen des Alltags.

Sophia & Nathaniel Hawthorne, Das Paradies der kleinen Dinge. Ein gemeinsames Tagebuch. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt und herausgegeben von Alexander Pechmann. Mit einem Vorwort von Peter Handke. Verlag Jung und Jung, Salzburg und Wien 2014, 200 Seiten, 19,90 €, Infos und Bestellung: www.jungundjung.at

Schreiben Sie eine Antwort


Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.