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Buchtipp für Freunde amerikanischer Literatur: William Faulkner, New Orleans. Skizzen und Erzählungen

Ein Lesetipp von den Autoren mehrerer USA-Bände, darunter „USA-Ostküste“, Margit Brinke – Peter Kränzle, August 2017

William Faulkner, 1897 in Albany/Mississippi, im tiefen Süden der USA, geboren, zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Von ihm stammen bekannte Romane wie „Licht im August“ oder „Absalom, Absalom!“, er erhielt 1950 den Nobelpreis für Literatur und starb 1962 in Oxford/Mississippi.
1925, in New Orleans lebend, veröffentlichte der damals noch unbekannte Autor einige Skizzen und Kurzgeschichten über New Orleans für Literatur-Zeitschriften wie den „Double Dealer“ und für die Tageszeitung „Picayune“. Am 8.2.1925 erschien Faulkners erste Skizze in der Sonntagsbeilage der Picayune, entlohnt mit dem üblichen Honorarsatz von $ 15 bis 25 pro halbe Seite. Er betitelte die Geschichte als „Aus dem Gesellschaftsleben von Chartres Street“ – in Anlehnung an eine andere ständige Rubrik in der Tageszeitung: „Aus dem Washingtoner Gesellschaftsleben“.

Portraits aus dem einfachen Volk

Bei Faulkner geht es allerdings weniger um Politiker und Prominente, als vielmehr um die spezielle New Orleanser „Gesellschaft“, die einfachen Leute: um Seeleute, Hafenarbeiter, Schmuggler, Prostituierte und Flickschuster, Bettler, Künstler und Touristen. Es handelt sich um schillernde Charakterporträts eigensinniger F iguren vom Rande der New Orleanser Gesellschaft.
Es sind Betrüger und Schlingel, kuriose Gestalten und Bettler, Lebenskünstler und Angeber, die er wortreich charakterisiert und witzig beschreibt: zum Beispiel Mister Freddie Ayers, der mit offenen Augen schlief und mit Saufkumpanen auf Chinesenjagd ging, seinen Freund den Alkoholschmuggler, „das Gesicht fidel wie das eines Gnomen“, oder den angeberischen Jockey, der ein Strumpfband klaut. Viele seiner Geschichten gleichen Fabeln, zum Beispiel jene vom Bettler der erst viel Geld machte und es dann ebenso schnell wieder verliert. Es sind zum Schmunzeln anregende, leicht lesbare Kurzgeschichten, denen jedoch immer ein gewisser Ernst, wenn auch, natürlich nicht der Tiefgang der späteren Romane, innewohnt.

Meisterleistung von Arno Schmidt

1958 erschienen die Texte als „New Orleans Sketches“ bei Rutgers University Press, inzwischen als aus der Feder des weltbekannten Nobelpreisträgers gewürdigt. Diese Ausgabe war es, die 1960 zur Übersetzung anstand. Der etwas exzentrische Dolmetscher und freie Schriftsteller Arno Schmidt (1914-1979) wurde angefragt und, obwohl er Faulkner nicht möchte – in seinem Tagebuch notierte er: „Der Faulkner ist mir unsäglich zuwider!“ – nahm er den Auftrag „aus Reklamegründen“ an. Schmidts 1962 erschienene deutsche Version der Sketche ist brillant und macht die Sketche, die jetzt bei Suhrkamp in schöner Aufmachung neu erschienen sind, so wertvoll. Schmidt tauchte nämlich tief in Faulkners Südstaaten-Slang ein und lässt die kuriosen Charaktere von der Straße passend schnoddrig in Berliner Mundart – „hornsema“ (hören Sie mal), „’ne Tasse Bulljong“, „Dschentlmänn“ oder „Zum Deuwel“– parlieren.

„Lagniappe“ – eine nette Beigabe

Eine Fortsetzung findet Schmidts Abneigung gegenüber dem amerikanischen Schriftstellerkollegen in der dem Band angehängten Erzählung „Piporakemes!“. Ein englischer Faulkner-Spezialist sucht dort einen gewissen Schmidt auf um ihn für seine miserable Übersetzung zur Rechenschaft zu ziehen. Missgelaunt und angetrunken gibt Schmidt dem Professor aufs Komischste Paroli.
Carvel Collins originales Vorwort – ein Experte in Sachen Faulkner – ist ebenso umfangreich wie hilfreich für das Verständnis für diese Skizzen des später als eher „anspruchsvoll“ geltenden Autors. Das Nachwort von Bernd Rauschenbach und Schmidts selbstironische Erzählung über seine Übersetzungstätigkeit komplettieren das kleine Bändchen im illustrierten Pappschuber, das sich in dieser attraktiven Aufmachung gut als kleines Geschenk für Literaturfreunde eignet.

INFO: William Faulkner, New Orleans. Skizzen und Erzählungen, Mit einem Vorwort von Carvel Collins Deutsch von Arno Schmidt
Im Anhang Arno Schmidts Erzählung ›Piporakemes!‹ Herausgegeben und mit einem Nachwort von Bernd Rauschenbach 2017, eine Edition der Arno Schmidt Stiftung im Suhrkamp Verlag. Gebunden, 230 Seiten ISBN: 978-3-518-80410-0. D: 25,00 € A: 25,70 € CH: 35,50 sFr

© Text: M. Brinke-P. Kränzle, Fotos: Buchcover (Suhrkamp Verlag), William Faulkner Porträt (Faulkner Library Virginia), Charaktere aus der Stadt (M. Brinke).

 

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