Hier ereignete sich am 9. November 1989 das Unfassbare: Der Grenzübergang von Ost nach West, vom Prenzlauer Berg nach Gesundbrunnen, öffnete sich als erster zwischen Ost und West, und Zehntausende strömten in den Westen, darunter auch Angela Merkel!
Die Brücke, der erste Stahlbogen-Brückenbau Berlins, wurde 1916 fertiggestellt, hieß zunächst Hindenburg-Brücke und wurde 1948 nach dem Widerstandskämpfer Wilhelm Böse benannt. Umgangssprachlich heißt sie aber Bornholmer Brücke. Nach der Teilung Berlins gehörte der längste Teil zu Ost-Berlin, aber 30 m zum Westteil. Nach dem Mauerbau am 13. August 1961 war die Brücke für den Straßenverkehr geschlossen. Erst 1963 und dann bis 1989 wurde östlich der Brücke der Grenzübergang Bornholmer Straße errichtet, benutzbar für PKWs und Fußgänger.
„Berlin wird leben, und die Mauer wird fallen“ Willy Brandt im Sommer vor dem Mauerfall 1989
Das Schienengewirr der Gleisanlagen unterhalb der Brücke stellte für die DDR-Behörden ein unübersichtliches Terrain dar. Damit „Republikflüchtlinge“ nicht in die Freiheit gelangen konnten, wurden Schienen verlegt und die Züge fuhren hier mit hoher Geschwindigkeit im schmalen Grenzgebiet. Nach der Wende überlegte man, ob man die Brücke nicht abreißen sollte, um sie durch eine neue zu ersetzen. Aber aus Gründen des Denkmalschutzes entschloss man sich zu einer gründlichen Sanierung.
Was passierte hier genau?
Am Abend des 9. November 1989 berichtete das Westfernsehen von einer neuen Reisereglung für DDR-Bürger. SED-Politbürogenosse Günter Schabowski beantwortete die Frage des italienischen Journalisten Riccardo Ehrmann nach dem neuen Reisegesetz und antwortete: „Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Reglung zu treffen, die es jedem Besucher der DDR möglich macht, über Grenzübergangsorte der DDR auszureisen.“ Da horchten alle auf, denn bis dahin verlief die Pressekonferenz langatmig und langweilig. Bild-Reporter Peter Brinkmann fragte nach, ab wann die neue Reisereglung wohl gelte? Schabowski blätterte unbeholfen in seinen Unterlagen und sagte dann den historischen Satz: „Das trifft nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ Das war aber falsch, denn es gab einen Beschluss, dass diese Nachricht erst am nächsten Tag im DDR-Sender um 4 Uhr morgens verkündet werden sollte!
Nun war die Nachricht heraus, die DPA verkündete bereits um 19:42 Uhr, dass die Grenze offen sei. Und für die ARD-Tagesthemen berichtete Nachrichtensprecher Hanns Joachim Friedrichs:
„Die DDR hat mitgeteilt, dass ihre Grenzen ab sofort für jedermann geöffnet sind, die Tore in der Mauer stehen weit offen.“ Da viele Ostberliner natürlich lieber das West-Fernsehen sahen als die Propaganda im Ost-TV, fingen sie aus lauter Neugier und Erwartung an, zu den Grenzkontrollposten zu laufen. An der Bornholmer Straße öffnete Oberstleutnant Harald Jäger die Sperren. Den ersten DDR-Bürgern wurde der DDR-Ausweis als ungültig gestempelt, doch der Andrang tausender Menschen war so groß, dass die Grenzbeamten der DDR machtlos alles geschehen ließen – und die Massen in den westlichen Teil Richtung Gesundbrunnen liefen. In diesen wenigen Minuten brach das Ostregime friedlich zusammen – ein Glückfall nach der unseligen Teilung Deutschlands.
Genau an dieser Stelle kann man sich umschauen, entlang eines Stücks „Original-Mauer“ wird an Hand von vielen Schautafeln mit Texten der 9. November 1989 dokumentiert. Und wenn Sie hier stehen, versuchen Sie, die Emotionen jener Nacht etwas nachzuvollziehen: Die deutsche Wiedervereinigung ist mit dieser Brücke für immer verbunden.
© Michael Iwanowski, Verleger und Autor im Iwanowski’s Reisebuchverlag