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USA-Buchtipp: Henry David Thoreau zum 200. Geburtstag – Frank Schäfer, Henry David Thoreau. Waldgänger und Rebell

Ein Lesetipp von den Autoren mehrerer USA-Bände, darunter „USA-Nordosten“ oder „USA-Ostküste“, Dr. Margit Brinke – Dr. Peter Kränzle, Juli 2017

Inhalte

„.. er hatte keinen Beruf, er heiratete nie, …, er ging nie in die Kirche, er wählte nie, er weigerte sich, dem Staat Steuern zu zahlen, er aß kein Fleisch, er trank keinen Wein, er rauchte keinen Tabak …“ Treffender und knapper wie sein Freund und Mentor Ralph Waldo Emerson könnte man den Dichter und Naturphilosophen, Sonderling und Rebellen Henry David Thoreau (1817-1862) kaum charakterisieren.

Zum 200. Geburtstag – Henry David Thoreau

Am 12. Juli jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag dieses ungewöhnlichen Mannes, der von seinen Zeitgenossen mit gemischten Gefühlen betrachtet wurde, heute jedoch als einer der Urväter des Umwelt- und Naturschutzes gefeiert wird. Zu diesem Anlass erschien gerade im Suhrkamp Verlag eine sehr lesenswerte Biographie von Frank Schäfer. Dem in Braunschweig lebenden Schriftsteller, Musik- und Literaturkritiker gelang es erstmals in deutscher Sprache ein Porträt des amerikanischen Freigeistes und Rebellen zu zeichnen.

Thoreau gehörte wie Ralph Waldo Emerson (1803–1882) zu den führenden Köpfen des Transzendentalismus, deren Vertreter sich sozial-utopischen Ideen und ein einfaches Leben auf die Fahnen geschrieben hatten. Emerson und seine Schüler wandten sich gegen das traditionelle und rationalistische Denken in Staat, Kirche und der (puritanischen) Gesellschaft, predigten die Hinwendung zur Natur und setzten sich für die Verwirklichung der eigenen Individualität ein.

Mehr als ein „studierter Taugenichts“

Aufgewachsen als Sohn eines Bleistiftfabrikanten im Städtchen Concord, nur gut 30 km westlich von Boston gelegen (auf dem Foto sein Geburtshaus), studierte Thoreau in Harvard alte Sprachen. Allerdings endete seine Karriere als Lehrer schnell, da er sich weigerte, Schüler mit dem Rohrstock zu züchtigen. Als 28-Jähriger zog er sich für zwei Jahre, zwei Monate und zwei Tage in eine selbstgebaute Blockhütte am Waldensee (Foto), wenige Kilometer von seiner Heimatstadt entfernt, zurück, um außerhalb gesellschaftlicher Konventionen zu leben und seiner Gemeinde zu zeigen, dass er nicht nur ein „studierter Taugenichts“ sei. Das danach verfasste Buch ist bis heute Pflichtlektüre für jeden Amerikaner geblieben: „Walden“.
Dieses Hauptwerk sollte man jedoch nicht als Anleitung zum Leben im Wald verstehen, vielmehr handelt es vom Einklang des Menschen mit Stadt und Umwelt. Thoreau sah sich in erster Linie als Verfechter eines einfachen Lebens, ihn jedoch nur auf das konsumkritische „Walden“ zu reduzieren, würde dem Naturfreund und Lebenskünstler nicht gerecht. Thoreau hat ein weit vielseitigeres und bis heute zum Nachdenken anregendes Oeuvre hinterlassen. Vieles davon wurde posthum veröffentlicht, so auch das 1864 erschienene „The Maine Woods“ – drei Essays über Reisen, die Thoreau 1846, 1853 und 1857 in die Wälder von Maine unternommen hat.

Vielseitiges, zum Nachdenken anregendes Oeuvre

Das heute aus dem Kanon politischer Protestliteratur nicht mehr wegzudenkende Traktat „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“ geht auf Thoreaus Prinzipientreue und Starrsinn zurück. Er ging lieber eine Nacht ins Gefängnis als mit Steuergeldern Sklaven- und Kriegspolitik zu unterstützen. Diesen Essay verteilte beispielsweise Mahatma Gandhi als Lehrtraktat an seine Schüler, er war Lektüre von Martin Luther King und der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung sowie der Occupy-Bewegung.
Der große Vorteil der Biografie von Schäfer, der schon Romane (u. a. „Die Welt ist eine Scheibe“, 2001), Erzählungen, Essays und Sachbücher zur Literatur und Popkultur verfasst hat und dazu selbst Gitarrist in der Heavy-Metal-Band Salem’s Law war, ist ihre gute Lesbarkeit. Schäfer hält sich nicht mit Definitionen und ausufernden Abhandlungen über den Transzendentalismus auf, sondern liefert stattdessen eine gelungene Beschreibung der schillernden Persönlichkeit Thoreaus, den er als durchaus geselligen, wenn auch kauzigen Eigenbrötler darstellt.

Sonderling und Genie – Thoreaus schillernde Persönlichkeit

Er lässt den Sonderling Thoreau in zahlreichen längeren Zitaten selbst zu Wort kommen und gibt damit Einblick in seine „prinzipientreue Denkweise und kauzige Wesensart“ (taz). Doch nicht nur der Waldgänger und Kauz selbst kommt zu Wort, sondern Freunde und Zeitgenossen wie Nathaniel Hawthorne, Ellery Channing oder Emerson äußern sich im ersten Kapitel des Buchs über ihren Weggefährten.
Ein intellektueller Außenseiter, ein einflussreicher Dichter und Denker, aber auch ein starrköpfigen Sonderling und Aussteiger – Thoreau erhält durch Schäfer ein neues Profil. Ergebnis ist das Porträt eines Mannes, dessen „Experimente“ und Bücher die Welt verändert haben und heute aktueller sind denn je. Es lohnt sich, sie immer wieder zu lesen, denn wie sein Freund Nathaniel Hawthorne meinte: „Alles in allem halte ich ihn für einen Mann, dessen Bekanntschaft gewinnbringend und bekömmlich ist!“

INFO:
Frank Schäfer, Henry David Thoreau. Waldgänger und Rebell. Eine Biographie.
Suhrkamp Verlag, Berlin, 2017; 253 Seiten, gebunden, 16,95 € (E-Book 14,99 €)
www.suhrkamp.de/buecher/henry_david_thoreau-frank_schaefer_46769.html

© Text: M. Brinke-P. Kränzle, Fotos: M. Brinke sowie Suhrkamp Verlag (Buchcover), Thoreau Farm Concord (Geburtshaus Thoreaus), Maine Office of Tourism (Landschaft), Massachussetts Tourism (Walden Pond), Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag (Autor), Porträt Thoreau (historische Aufnahme).

Ausführliche Infos zu den geschichtsträchtigen Staaten an der amerikanischen Ostküste bieten die Reiseführer USA-Ostküste und USA-Nordosten (auch als ebook) von Dr. Margit Brinke und Dr. Peter Kränzle.

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