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USA-Buchtipp: Georgia O’Keeffe – Ein langes Leben mit Blüten und Landschaften

Ein Lesetipp von den Autoren des Bandes „USA –Westen“ und mehrerer anderer USA-Bände, Margit Brinke – Peter Kränzle, Sept. 2016

Georgia O’Keeffe (1887–1986) gilt als weibliche Ikone der amerikanischen Malerei der Moderne, steht als Symbol für Sinnlichkeit, weibliche Unabhängigkeit und künstlerische Selbstbestimmung. Zu einer Zeit, als weibliche Künstlerinnen und abstrakte Kunst noch komplett im Abseits standen, avancierte sie an der Seite des Fotografen Alfred Stieglitz erst in der New Yorker Szene, dann in den USA und schließlich weltweit zu einer der wichtigsten modernen Künstlerinnen auf.

Kürzlich erschien im Prestel Verlag ein großformatig bebilderter Katalogband, begleitend zu einer Ausstellung, die erst in der Tate Modern Gallery in London (6.7.-30.10.2016) und dann im Kunstforum Wien (7.12.2016-26.3.2017) zu sehen sein wird. Der Band – zugleich eine perfekt bebilderte Chronologie der Künstlerin – zeigt in grandiosem Vierfarbdruck auf Hochglanzpapier über hundert Gemälde der Künstlerin, darunter viele selten reproduzierte Kunstwerke. Außerdem zu finden sind viele jener berühmten Fotos von Stieglitz, die O’Keeffe zeigen. Ein Buch, dass man sich gut in den Bücherschrank stellen kann auch ohne die Ausstellung gesehen zu haben.

Hochglanzfotos und Essays

Die zwischen die Bildtafeln eingeschobenen Essays sind von Kunsthistorikern geschrieben, die in London, Wien, Washington oder Santa Fe tätig und mit der Künstlerin befasst waren oder sind. Sie behandeln Themen wie Georgia O’Keeffes Rolle innerhalb der frühen modernen Avant-Garde,2-SaFe15-OldT-OKeeffeMus-Photo ihre Vorreiterrolle in Sachen Abstraktion und Minimal Art, den Einfluss der Kulturen und Landschaften der von ihr besuchten Orte oder die Beziehung zwischen ihr und Stieglitz, und damit auch zwischen Malerei und Fotografie. Auf grauem Hintergrund finden sich in dem Band zusätzlich Zeitdokumente, oft Besprechungen von Ausstellungen.
O’Keeffe erlebte während ihres über neun Jahrzehnte dauernden Lebens viele Phasen in der Politik, im öffentlichem Leben, der Frauenemanzipation, aber auch in der Entwicklung der Kunst, war gleichermaßen Zeitgenossin von Winslow Homer wie von Robert Rauschenberg. Ihr Aufstieg begann in der New Yorker „Galerie 291“, wo 1916, während einer Ausstellung von Alfred Stieglitz und Edward Steichen – führenden Fotografen der Zeit –, einige abstrakte Kohlezeichnungen von O’Keeffe gezeigt wurden, die zunächst jedoch von Kritikern als eher „esoterisch“ abgetan wurden.

Frühes Kunstinteresse und ständige Ortswechsel

Aufgewachsen auf einer Farm in Wisconsin, hatte O’Keeffe schon früh, erst in Schule, dann während des Studiums in Chicago und New York und schließlich bei verschiedenen Lehrtätigkeiten, die Kunst zu Beruf und Berufung gemacht. Sie wechselte häufig den Wohnort um schließlich New York und 3-SaFe15-OldT-OKeeffeMus-FlowerPicsNew Mexico zu ihren Lebensmittelpunkten zu machen.
1924 heiratete sie ihren Mentor, den wesentlich älteren Stieglitz, Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer, und obwohl die Ehe Höhen und Tiefen, Krankheiten und Affären durchmachte, blieben die beiden – wenn auch häufig räumlich getrennt – bis Stieglitzs’ Tod 1946 in Liebe verbunden. Stieglitz fotografierte seine Muse immer wieder und sie beeinflusste seine Motivwahl und Sehweise. Während O’Keeffe mit Stieglitz in New York City lebte und die Sommer am Lake George in Upstate New York verbrachte, zog es sie ab 1929 an immer wieder allein nach New Mexico, vor allem nach Santa Fe und Taos. Die dortigen Landschaften, die kahlen Berge, schroffen Felsen und Schluchten, Knochen, Schädel, aber auch indianische Motive, Kachinas und Puebloarchitektur, wurden zu ihren Lieblingsmotiven.

Von kleinen Kohlezeichnungen zu mächtigen Blüten

Die Serie „Early Abstraction“ in Kohle auf Papier sowie „Special“ von 1915/16 sind im Buch ebenso zu finden wie erste Landschaftsabstraktionen in Aquarell, z.B. „Blue Hill“ oder „Sunrise“ (1916). Ab 1918/19 4-SaFe15-OldT-OKeeffeMus-Pickommen mehr Farbigkeit, Öl und größere Formate ins Spiel, O’Keeffe wandte sich früh und selbstbewusst der Abstraktion und dem Medium der Ölmalerei zu. Ihr beliebtestes Sujet waren Blüten, von denen sie behauptete, niemand sähe sie richtig an. Deshalb widmete sie Callas und Iris, Mohn und weißen Stechapfelblüten (wie auf dem Katalog abgebildet) bis zu einem Quadratmeter große Leinwände.
Aus O’Keeffes Zeit in New York stammen grandiose New York-Szenen, wie „New York Street with Moon“ (1925) oder „New York, Night“ (1928/29), und während der Sommerfrische am Lake George entstanden, abgesehen von abstrakten See-Darstellungen auch viele Bilder von Bäumen. Doch die Blumenbilder ziehen sich durch das Oeuvre, sie treten später auch in Verbindung mit Tierschädeln – einem weiteren beliebten Motiv – 5-NM-Landschaftauf, z.B. bei „Horse’s Skull with Pink Rose“ (1931) – aber auch in Landschaften wie „Summer Days“ von 1936 (mit Wüstenbergen, Schädel und Blumen).
Landschaften sind O’Keeffes zweite große Stärke: Black-Mesa-Landschaften und der Chama River im Norden New Mexicos, Pueblos und Kachinas – manche Motive verarbeitet sie in Serien immer wieder neu. Beeindruckend sind dabei die Farbmodulationen und die Lichtwirkung, wobei die Formen stets abstrakt-einfach gehalten sind, z.B. bei der „Black Place“-Serie. Diese Badlands-Landschaft wurde zum Thema von insgesamt 14 Gemälden und Pastellzeichnungen, zu verschiedenen Jahreszeiten und Wetterbedingungen, von 1944 bis 1949.

Leben in New Mexico

Dank Stieglitz erlangte O’Keeffe in der Kunstszene schnell Berühmtheit und bereits ab den späten 1920ern wurden ihr Einzelausstellungen gewidmet und sie erhielt schon früh lukrative Aufträge, 6-NM-KuauaPuebloKivawie die Ausmalung des Damen-WCs in der Radio City Music Hall in New York oder ein Blumengemälde für die Kosmetikfirma Elizabeth Arden. Ihr Selbstbewusstsein wuchs, sie lernte Autofahren und kaufte sich einen Ford, um das geliebte New Mexico besser erkunden zu können und 1941 flog sie das erste Mal mit dem Flugzeug von Chicago nach New Mexico.

1931 mietete die Künstlerin ein Haus auf der H&M Ranch bei Alcalde/NM, später weilte sie während ihrer 7-SaFe15-OldT-OKeeffeMus-AtelierBesuche in Abiquiú/NM, auf der Ghost Ranch, wo sie 1940 ein Haus, die „Rancho de los Burros“ kaufte. 1946 starb Stieglitz, dessen Nachlass sie akribisch ordnete ehe sie permanent nach New Mexico zog und abwechselnd in der Hacienda in Abiquiú – dem heute besichtigbaren Home & Studio, rund 80 km nordwestlich von Santa Fe gelegen – und auf der nahen Ghost Ranch lebte.
Ehrendoktortitel, die Bekanntschaft mit großen Persönlichkeiten wie Frank L. Wright und ausgiebige Reisen prägten die 1950er-Jahre u8-SaFe15-OldT-OKeeffeMusnd eine Retrospektive folgte der nächsten. Eine Augenerkrankung machte ihr ab 1972 das Malen ohne Unterstützung unmöglich, nicht jedoch das Reisen. Jene Frau, die berühmt geworden war für Nahansichten von Blumen und abstrakte Kompositionen von Landschaften, die sich immer dagegen gewehrt hatte, dass ihre Kunst als „weiblich“ abgetan wurde, starb am 6. März 1986 im Alter von 98 Jahren in Santa Fe. Georgia O’Keeffes Asche wurde auf ihrem vielgemalten Lieblingsberg, dem Cerro Pedernal, verstreut.

Georgia OKeeffe vonInfo zum Buch: Heike Eipeldauer, Sarah Greenough, Cody Hartley, Hannah Johnston, Griselda Pollock, Florian Steininger, Georgiana Uhlyarik, Tanya Barson (Hrsg.), Georgia O’Keeffe, 272 Seiten, 200 farbige Abb., Leineneinband, ISBN: 978-3-7913-5542-9, 49,95 €, Prestel Verlag München.

Tipp: Eine gute Einführung in das Werk der Künstlerin gibt das O’Keeffe Museum (www.okeeffemuseum.org) in Santa Fe/NM sowie ihr ehemaliges Haus im nahen Abiquiu (www.ghostranch.org/explore/georgia-okeeffe).

© Text: M. Brinke-P. Kränzle, Fotos: M. Brinke (mit Dank an das O’Keeffe Museum in Santa Fe), Prestel Verlag München (Buchcover).

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