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Berlin: Die Rüdersdorfer Kalksteinbrüche – Woher das Baumaterial des Brandenburger Tors, Sanssoucis oder Olympiastadions stammt

Die Rüdersdorfer Kalksteinbrüche. Der einst staubigste Ort der DDR soll ein Ausflugsziel sein? Industriedenkmäler sind „in“, diese Zeugnisse der wirtschaftlichen Vergangenheit werden heute nicht mehr einfach abgerissen, sondern dienen als Freilichtmuseum für nachfolgende Generationen. So ist es auch im Museumspark Rüdersdorf, wo Industriegeschichte lebendig dargestellt wird, am originalen Ort.

Rüdersdorfer Kalkstein – Millionen Jahre geologische Zeitgeschichte

Ruedersdorf_IwanowskiEtwa 45 Minuten von der Innenstadt am Ostrand Berlins gelegen, schaut man in riesige Tagebaugruben, aus denen schon seit 750 Jahren Kalkstein gebrochen wird. Bereits 1254 baute man mit Rüdersdorfer Kalkstein das nahegelegene Dominikanerkloster Straußberg. Dieser Muschelkalk liegt hier sehr dicht unter der Oberfläche, so nah wie kaum woanders in Norddeutschland – mit Ausnahme der Insel Rügen. Es ist das größte geologische „Fenster“ in dieser Region, ein Fenster in die über 250 Millionen Jahre zurückreichende Vergangenheit der Trias, als Meere über Millionen Jahre Muschelkalk ablagerten. Und man ist mitten drin in den längst vergangenen Perioden unserer Erdgeschichte. Es gab noch keine Menschen, und die versteinerten Zeugnisse von Dinosauriern oder Muscheln zeichnen ein Bild dieser Zeit.

Fossiliensuche vor der Haustür – Ein spannendes Erlebnis für Berliner

P1100435Man kann hier auch selbst auf Sammeltour gehen, mit Allradfahrzeugen den Tagebau erkunden und eigenhändig Fossilien des Trias-Meeres suchen und finden – unter fachkundiger Anleitung. Ein tolles, spannendes Erlebnis für jung und alt. Beim rasanten Aufbau Berlins war es praktisch, solche Vorräte leicht verfügbar vor der Haustür zu haben. So konnte man ortsnah Kalksteine brennen oder Zement herstellen, so entstanden riesige Anlagen mit Brennöfen, Arbeiterunterkünfte, Schächte, Labore und Kanäle für den Abtransport. Chefarchitekt Schinkel konnte praktischerweise auf genügend preiswertes Rohmaterial für seine vielen Bauprojekte zurückgreifen (Die Berliner spotteten damals: „In jedem Winkel steht ein Schinkel!“). Man kann deshalb den Tagebau-Aushub als eine Negativ-Pause Berlins betrachten: Gestein wurde aus der Tiefe entnommen und ist heute in Form berühmter Gebäude oberirdisch zu sehen. Fast alle Teile des 17 ha großen Gebiets sind für Besucher offen.

Der Tagebau in Rüdersdorf – Eine Staubgrube zu DDR-Zeiten

In der Zeit der DDR war der gesamte Tagebau eine riesige Staubgrube, worunter Rüdersdorfer Bewohner litten, denn nach dem 2. Weltkrieg entstand hier der größte baustoffproduzierende Betrieb der DDR. Die Umweltprobleme nahmen stetig zu. Erst nach der Wende fuhr man die Belastungen und die Produktion zurück.

Kalsteinofen_Ruedersdorf_IwanowskiInfo: Der Rüdersdorfer Ofen – eine revolutionäre Entwicklung
Kalkgestein enthält naturgemäß mehr oder weniger Wasse, welches das Gestein weich macht. Erst durch Brennen verschwindet der Wasseranteil, das Gestein härtet aus und wird erst jetzt als Baumaterial brauchbar. Brennöfen und ihre technische Entwicklung waren dabei besonders wichtig. Durch getrennte Kammern – aus der Feuerkammer leitete man die heiße Luft in die eigentliche Brennkammer – war es mithilfe des Rüdersdorfer Ofens möglich, sauberen Kalk ohne Feuerverunreinigungen zu gewinnen, und das ohne Unterbrechung. Während die Feuerkammer von oben immer wieder mit Steinkohle beschickt wurde, entnahm man unten aus der Brennkammer den gebrauchsfertigen Kalk. Durch „Hintereinanderschaltung“ von 18 Brennöfen gelang ab 1871 eine Produktionssteigerung um 1000 %.

Erlebnislandschaft Museumspark – Natur erobert sich den Tagebau zurück

P1100397Immer wieder vergrößerte man zu DDR-Zeiten den Tagebau, und Straßen sowie Häuser fielen der Erweiterung zum Opfer. Heute arbeitet hier noch die Rüdersdorfer Zement GmbH, beschäftigt sich mit Abbau und Förderung von Kalkstein und produziert Zement. Die Natur erobert sich auf dem weniger aktiven Tagebau die Landschaft zurück, man erkennt es an der Vegetation an den Rändern der Grube. Und so ist heute der Museumspark eine Erlebnislandschaft, die man u.a. mit Leihfahrrädern oder gar einem Landrover erkunden kann.

Adresse: Museumspark Rüdersdorf, Heinitzstraße 41, 15562 Rüdersdorf bei Berlin, Tel. 0336/799797, www.museumspark.de, geöffnet April–Oktober täglich 10–18 Uhr, November März 10.30–16 Uhr. Da das Gelände sehr weitläufig ist sind E-Bikes zum Ausleihen vorhanden (bitte vorher bestellen, 3 Euro/h), Landrover-Touren (15 Euro) sowie Fossilien-Sammeln im Tagebau (15 Euro/3 h, Kinder 10 Euro) nur nach vorheriger Anmeldung.

© Foto und Text: Michael Iwanowski, Verleger und Autor im Iwanowski’s Reisebuchverlag

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