von Maike Stünkel
Schlendert man durch die geschmückten Stände des Weihnachtsmarktes vor der Kathedrale und entdeckt plötzlich eine Figur mit blankem Hintern, die sich gerade erleichtert hat, braucht man sich nicht zu wundern: Das ist der caganer, „Kacker“, eine Figur des traditionellen katalanischen Krippenschmucks. Meist ist die Figur als Bauer mit dem traditionellen katalanischen Hut, der barretina, gekleidet, aber es gibt den caganer auch als Politiker, Fußballspieler, Polizisten, König von Spanien oder sogar als Papst. Woher die Figur kommt, ist nicht ganz klar.
Angeblich soll einer der Hirten bei der Geburt Jesu sich hinter den Stall verdrückt haben, um sein Geschäft zu erledigen. Außerdem düngt er die Erde und bedeutete früher Wohlstand für das kommende Jahr. Nach dem Inkrafttreten des Verbots, im Freien sein Geschäft zu verrichten, verschwand der caganer zeitweise von der offiziellen Krippenlandschaft vor dem Rathaus – er sei ein schlechtes Beispiel. Die Empörung war groß, und ein Jahr später war er wieder da. Sogar Miró hat ihn auf dem Bild „La Masia“ („Bauernhof“) versteckt verewigt …
Eine andere Variante ist der cagatió, ein Stück Holz mit Gesicht und einer roten Mütze: Auch wenn die Kinder in Katalonien die Hl. Drei Könige und den Weihnachtsmann kennen – es gibt ihn noch, den cagatió, der eine jahrhundertealte Tradition besitzt. Früher dankte man auf dem Land traditionell einem großen Stück Holz für seine Gaben – Licht und Wärme. Heute ist der tió eine mythologische Figur, die man 15 Tage vor Weihnachten füttern muss, um später seine Gaben aufzusammeln: Abends lassen die Kinder einen kleinen Teller mit Nüssen und getrockneten Früchten da – und am nächsten Morgen ist er leer. An Weihnachten kommen sie mit Stöcken und singen „Caga tió, tió del bo, si no, et dono un cop de bastó“ – in etwa „Mach etwas, oder wir schlagen dich“. Kurze Zeit später sind unter der Decke neules (katalanische Waffeln) und turrones zu finden.
